Zeitmanifest

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Frei ist der Mensch, der über seine Zeit selbst bestimmen kann. Frei ist die Gesellschaft, die ihren Umgang mit der Zeit in einem gemeinschaftlichen Diskurs aushandeln kann. Deshalb setzen wir uns dafür ein, individuelle und kollektive Zeitautonomie als Menschenrechte zu manifestieren.

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In unserer durchweg ökonomisierten Gesellschaft wird die Ressource Zeit zu einer Ware instrumentalisiert und ausgebeutet. Deshalb fordern wir den Umbau der Gesellschaft hin zu kollektiven Strukturen, in denen Zeit auch jenseits von Erwerbsarbeit und Konsum als Sinn und Glück stiftend erlebt werden kann.

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Wettbewerb und messbares, quantitatives Vergleichen als Grundprinzipien unserer Gesellschaft fuhren zu einer zunehmenden Beschleunigung, die sich zerstörerisch auf Mensch und Natur auswirkt. Deshalb setzen wir uns dafur ein, Räume, Strukturen und Projekte zu schaffen, in denen substanzielle Werterfahrungen menschlicher Bedurfnisse erlebbar werden.

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Technische Innovationen, die unser Leben vereinfachen und verbessern sollen, eröffnen uns Optionen in einem Maß, dass sie oft statt einer Erleichterung eine beschleunigende Überforderung bringen. Deshalb mahnen wir einen Diskurs an, der Sinn und Ziel von Fortschritt fur das Individuum und die Gesellschaft reflektiert und uns befahigt, Fortschritt zum Wohle aller zu gestalten.

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Die verschiedenen Lebensbereiche haben grundsatzlich verschiedene Eigenzeiten. Das gilt für die Privatsphare, die Spiritualitat, die Bildung und Wissenschaft, die Kunst, die Okonomie, die Politik und die Freizeit. Deshalb machen wir uns stark dafür, diese unterschiedlichen Lebenswelten vor Zeitübergriffen zu schutzen und in ihrer Autonomie zu fördern.

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Wir fordern Respekt vor den unverrückbaren Eigenzeitlichkeiten und Rhythmen der Natur. In der Verantwortung auch für kommende Generationen sind räumliche und zeitliche Manipulationen der Natur so weit einzudämmen, dass die natürlichen Grundlagen des Lebens in ihren komplexen Systemen nachhaltig bestehen können.

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Das Streben, in einer Lebenszeit so viel wie möglich zu erleben, führt zum Verlust einer resonanzvollen Beziehung zu uns selbst, zu anderen Menschen und zur Welt. Deshalb ist es für uns unabdingbar, über das Sterben und den Tod als Teil des Lebens nachzudenken und eine lebensbejahende Haltung zu unserer Endlichkeit zu entwickeln.

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